Das "Elastische Modell" der Funktionellen Klauenpflege

Wachstum in der Spitze der Kuhklaue führt zu stärkerer Belastung am typischen Druckpunkt (Ansatz der tiefen Beugesehne am Klauenbein). Aufgrund der hieraus resultierenden Quetschung der Lederhaut entstehen Sohlengeschwüre.

 

Ein Kernelement der Funktionellen Klauenpflege nach E. Toussaint-Raven ist durch eine vermehrte Wegnahme von Sohlenhorn in der Spitze der Klaue eine Gewichtsverlagerung vom Ballen- zum Spitzenbereich der Klaue zu erzielen. Der "Typische Druckpunkt" wird so entlastet und der Entstehung von Sohlengeschwüren vorgebeugt.

 

Ein weiterer Kerngedanke der Methode ist die Lastverteilung innerhalb der Einzelklaue und zwischen Außen- und Innenklaue einer Gliedmaße. Der unnatürliche Druck, welcher von den harten Betonböden moderner Boxenlaufställe auf die Klaue ausgeübt wird, kann so entschärft werden.

 

Problemzonen und bereits erkrankte Bezirke der Klaue werden von diesem Druck entlastet. Damit ist diese Methode nicht nur sehr gut zur Therapie bereits erkrankter Klauen geeignet, sondern wirkt auch der Neuentstehung von Sohlengeschwüren und Wandläsionen entgegen.


Das „Elastisches Modell"

Einige wichtige Aspekte der Funktionellen Klauenpflege, die in der ursprünglichen Methode nach E. Toussaint Raven nicht, kurz oder nur am Rande Berücksichtigung fanden, sind im „Elastischen Modell" nach Dr. Klindworth präzisiert und ausformuliert.

So wird beispielsweise der Herausarbeitung des Zwischenklauenspaltes und der Ballen eine große Bedeutung beigemessen. Diese zeitaufwendige und nur mit dem Klauenmesser durchzuführende filigrane Technik ist mit der eines Künstlers vergleichbar. Präzision und handwerkliches Geschick sind hier gefragt. Nur mit einer fundierten Ausbildung erlangt man die hierfür nötige Perfektion.

Diese Herausarbeitung ermöglicht die Ausheilung von  Mortellaro (Dermatitis digitalis) und Klauenfäule (Dermatitis interdigitalis) und beugt sehr gut der Neuentstehung vor. Der überzeugende und wissenschaftlich nachgewiesene Erfolg rechtfertigt den nicht unerheblichen Mehraufwand.


1. Startpunkt Maßklaue
Um eine gute Entlastung am typischen Druckpunkt und gleichzeitig einen Gewinn an Höhe zu erzielen, ist es fast immer notwendig, die Maßklaue (vorne Außen- hinten Innenklaue) in der Spitze des Sohlenhorns stärker zu beschneiden als im Ballenbereich. Die Sohle darf jedoch nicht dünner als 5 mm werden, da sonst Quetschungen der Lederhaut und damit Lahmheiten eintreten können. Für diese Einstellung der optimalen Sohlendicke ist eine korrekt eingekürzte Klauenlänge hilfreich. Bei der durchschnittlich großen, schweren und alten Kuh sind dies 7,5 cm. Jüngere, leichte Kühe werden auf bis zu 7,2 cm, ältere, schwere auf bis zu 8,0 cm eingestellt. Das exakte Einstellen der Länge bereitet dem Anfänger häufig große Schwierigkeiten und erfordert viel Übung und permanente Hilfestellung durch den Ausbilder. Die korrekte Länge ist von zentraler Bedeutung, denn an der Schnittkante in der Spitze kann die tatsächliche Sohlendicke abgelesen werden. Nur wenn die Länge stimmt, stimmt auch die Sohlendicke. Bei guter Übung kann auch etwas stärker eingekürzt werden, wenn dann die entsprechende Sohlendicke berücksichtigt wird. Dies erfordert jedoch langjährige Erfahrung. Die Sohlenfläche der Maßklaue wird so bearbeitet, daß eine plane und stabile Ebene entsteht. Die Erhaltung der optimalen Trachtenhöhe ist dabei unbedingt zu beachten.

Der korrekte Ansatzpunkt ist der Kronsaum, welcher mit dem Fingernagel ertastet wird. Mit einem Meßstab, der genau 7,5 cm lang ist, wird die korrekte Länge eingestellt. Der Meßstab muß auf dem Dorsalrücken der Klaue liegen, ihrer höchsten Linie. Mit einem senkrechten Schnitt zur Sohle wird dann die korrekte Länge eingekürzt.


2. Angleichen der Belastungsklaue.
Im zweiten Schritt erfolgt das Angleichen der Belastungsklaue  (vorne Innen- hinten Außenklaue) in Höhe und Sohlendicke an die Maßklaue. Beide Sohlenflächen sollen sich anschließend in einer Ebene parallel zur Linie durch die Afterklauen befinden. Nur so ist eine stabile Fußung auf planen, harten Betonboden gewährleistet und eine breite Lastverteilung in den Klauen gegeben.


3. „Modell" herstellen

Im Zwischenklauenspalt wird nun das „Modell" herausgearbeitet. Die Wand wird, in der Maßklaue etwa auf der Hälfte der Klauenlänge, in der Belastungsklaue auf dem unteren Drittel beginnend, zum Ballen hoch ausgedünnt. Im Ballen ist das Messer dann  fließend quer zu führen, um diesen auszudünnen und zu glätten. Mit dieser wichtigen Maßnahme werden gleich mehrere Resultate erzielt: Der Klauenmechanismus und damit die Durchblutung der Klauenlederhaut wird verbessert, der „Typische Druckpunkt" entlastet, der Selbstreinigungseffekt und die Belüftung der Klaue gesteigert und der Druck auf die weiche Haut im Zwischenklauenspalt und Ballen erheblich reduziert. Im Ergebnis wird damit der Neuentstehung vieler Klauenkrankheiten vorgebeugt. Die sorgfältige Herausarbeitung des Modells ist Gute Handwerkliche Praxis und hat sich millionenfach bewährt.


4. Entlastungsschnitt
Wenn Blutungen oder Defekte auf der Belastungsklaue zu erkennen sind, wird diese auf den hinteren 2/3 der Sohlenfläche weiter in der Höhe reduziert. Hiermit wird eine zusätzliche Druckentlastung dieses kritischen Bereiches erzielt. Auch bei Kühen, die einen starken Überwuchs der Belastungsklaue aufweisen, kann ein solcher Entlastungsschnitt sinnvoll sein. Wenn die Höhe nicht ausreichend reduziert werden kann, ist durch Kleben eines Klotzes auf der Maßklaue künstliche Höhe zu schaffen.


5. Kontroll- und Abschlußarbeiten
Erst zum Ende hin werden eventuell vorhandene Defekte ausgeschnitten und weitere Behandlungsmaßnahmen durchgeführt. Eine sorgfältige Inspektion des Zwischenklauenspaltes und der beiden Klauenhälften empfiehlt sich, um versteckte Läsionen nicht zu übersehen.